Reg Borrow

Reg Borrow
19.6.1924 - 6.6.2003


Für Reg

Ein letzter Brief an einen Freund


Dear Reg,

Die Abdankungsfeier für Dich, gestern in der reformierten Kirche im Wil in Dübendorf, hätte Dir gefallen. Viele treue Bekannte, Freunde, Verwandte sind gekommen, viele konnten nicht kommen, haben aber, wo immer sie waren, an Dich gedacht, einige wussten noch nichts von Deinem Ableben, waren nicht erreichbar...

Am Eingang der Kirche stand ein sehr schöner Kranz für Dich von Deinen englischen Verwandten und Freunden, auf dem Altar eine wunderschöne Blumenschale von Deiner geliebten Ursi Arni, an anderer Stelle weitere Blumen mit einem Foto von Dir, das ganz spezielle Foto, auf dem Du Deine Brille zurechtrückst und charmant lächelst, Du weisst schon welches...

Der erste Teil der Feier wurde fast ausschliesslich von Mitgliedern der schweizer Tanzgemeinschaft gestaltet. Trudi Schmucki gedachte Deiner auf Englisch, Rudolf Baumann auf Deutsch. Albert Salzmann spielte auf der Geige eine Zigeunerweise, Musik, die Du sehr gemocht hast. Beim English Waltz "When forever has gone", den sich Rudolf Baumann und Du gemeinsam für die irgendwann jedem bevorstehende Abdankungsfeier ausgesucht haben, war manches Schluchzen und Weinen unter den Anwesenden zu hören - zu viele schöne Erinnerungen an Dich kamen hoch...

Waltz: "When forever has gone"

Nach diesem bewegenden, fast intimen ersten Teil der Tanzgemeinschaft hatte es der Pfarrer schwer, den zweiten Teil ebenbürtig zu gestalten. Die treffendste Aussage war vielleicht ein Zitat von Albert Schweitzer: "Das schönste Denkmal, das sich ein Mensch wünschen kann, steht in den Herzen seiner Mitmenschen." Dieses Denkmal, lieber Reg, steht hundertfach für Dich...

Die bewegendste Handlung der Feier folgte ganz am Schluss, vielleicht nicht einmal von allen bemerkt: Du hättest Ursi sehen sollen, wie schnell sie Dein Foto wieder an sich genommen hat, an ihr Herz gepresst hat, übermannt von ihren Gefühlen - sie liebt Dich so sehr, Du fehlst ihr so..., uns auch...


Kleiner Rückblick

Im SATV-Kurier Nr. 6 von 1967 stand: "Ab Januar 1968 unterrichtet der erfolgreiche englische Trainer Reg Borrow in Zürich. Montag, Dienstag, Mittwoch, Freitag in der Tanzschule Kaiser, Donnerstag, Samstag, Sonntag in der Tanzschule Läderach". Kontakte zur Schweiz bestanden schon seit 1962 dank schweizer Paaren (Baumanns, Kaisers u.a.), die bereits damals in London trainierten. Rita und Rudolf Baumann organisierten über mehrere Jahre Deine Gasttrainer- Tätigkeit, bevor Du ganz in die Schweiz ziehen konntest. Seither sind unzählige in-und ausländische Paare unter Deinen Fittichen gestanden, viele Paare mit Deiner Hilfe Meister geworden.


Persönliche Erinnerungen

Kannst Du Dich an unsere ersten Standard-Stunden bei Dir erinnern? Das war 1982, vor 21 Jahren. Der Dancers Club in Wallisellen war gerade mal drei Jahre alt, es gab keinen Bözberg-Tunnel, keinen Gubrist-Tunnel, die Reise von Basel nach Wallisellen war kaum unter 90 Minuten zu bewältigen. Sonntag war Dein Tag, Reg-Tag. Die Stunden mit Dir haben wir wahrlich genossen: Dein Wissen, Deine Technik, Dein Können, Deine Vielfältigkeit im Unterrichten, Deine Erfahrung, Deine Liebenswürdigkeit, Dein Humor - wir hätten es nirgends besser antreffen können...


Try to remember

Die ersten Monate waren hart: Wir hatten, wie viele Paare vor und nach uns, mit Latein begonnen, die Standardhaltung kam uns deshalb anfänglich unglaublich steif vor. Aber mit Deiner Hilfe wurden diese Anfangsschwierigkeiten bravourös gemeistert. Einer der von Dir meistgespielten Titel in dieser Zeit war "Try to remember", ein langsamer Walzer. Nicht nur wegen dem Titeltext erinnerten wir uns an viele Punkte aus den Tanzstunden, nein, Dein Unterricht war so klar strukturiert, dass man leicht alles wieder abrufen konnte.


Nachwuchs-und Nationalkader

Weisst Du noch wie wir nach unserer erfolgreichen ersten Meisterschaft ins Kader aufgenommen worden sind und wie begeistert wir waren, dass Du Kadertrainer warst? Das bedeutete 14-täglich am Freitag Abend 2 Stunden Intensivtraining mit Dir im Schützenhaus in Schwammendingen. Es war eine herrliche Zeit, die Fortschritte enorm, der Zusammenhalt unter den Paaren ausgezeichnet, das Konkurrenzdenken gesund. Umso trauriger waren wir, dass es nach einem halben Jahr bereits zu Ende ging, die Differenzen mit dem Verband, der Dir zur Unzeit vorschreiben wollte, was zu tun sei, waren zu gross geworden. Schade. Seither ist lange Zeit im Standardkader kaum Nennenswertes geschehen, was Du sehr bedauert hast.


Lehrgänge, Lager

Deine Lehrgänge für Jugendpaare, Hauptklasse-und Seniorenpaare im Dancers Club und anderswo sind unzählbar. Wer in der schweizer Tanzszene hat nicht von Dir profitiert oder profitiert jetzt noch durch Standard-und Lateintrainer, die Tanzkönnen und Methodik bei Dir gelernt haben?

20 Jahre lang hast Du das Trainingslager in Giswil geleitet, eine unglaubliche Leistung! Vom 4. - 7. Oktober 1968 fand das erste Lager statt, 1988 hast Du es an Marion und Kenny Welsh übergeben, kamst aber immer wieder zu Besuch nach Giswil. Unvergessen bleibt: "I'm a little teapot short and stout..."


Schwanensee u.a.

Auch an den Silvester-und Neujahrsbällen im Dancers Club warst Du ein Unterhaltungskünstler: Wer von den damals Anwesenden erinnert sich nicht an Deine Einlagen als Primaballerina in einem Pas de Deux mit Ruedi Baumann, als eines der vier Schwänchen im Schwanensee-Ballett, als Bauernfrau in Tracht mit echten Geisslein. Mit Humor, Charme und Witz hast Du uns alle bestens und liebenswert unterhalten....


Mit guter Basic zum Erfolg

Dein Motto lautete u.a.: mit guter Basic zum Erfolg! Was früher galt, gilt immer noch, und mehr denn je. Diese Deine Meinung teilten und teilen glücklicherweise auch immer noch unzählige Deiner Berufskollegen. Was war naheliegender als eine "Reg Borrow Basic Trophy" ins Leben zu rufen? Nach meinen Unterlagen fand die erste Trophy am 14. April 1984 im Dancers Club in Wallisellen statt. Und Dein Motto hielt, was es versprach: wie die meisten Schweizermeister vor uns, hast Du damit auch uns zum ersehnten Titel geführt.


Reg als Fan

An Meisterschaften warst Du immer von der ersten Runde an unter den Zuschauern. Alle Deine Paare hast Du gleich behandelt, hast alle gleichermassen angefeuert, mit ihnen mitgefiebert. Du warst ein Vorbild an Fairness und Loyalität, ein Gentleman und "a real Professional"!


Blackpool

Blackpool bedeutete Dir viel, auch der Star Ball in London, das U.K., das International. Gelegenheit, Deine vielen Freunde wiederzusehen, Dich mit ihnen auszutauschen, sich an vergangene Zeiten zu erinnern, zu geniessen. Umso mehr haben wir es geschätzt, dass Du zu jeder Runde, die wir in Blackpool getanzt haben, aus den "Katakomben", der Bar in Blackpool, in den Empress Ballroom gekommen bist, um uns zuzuschauen. Für uns war dies nicht selbstverständlich.


Snooker

Soll ich oder soll ich nicht? Du weisst schon, was ich meine, das mit dem Snooker und den Spielregeln. Hast Du etwas dagegen, wenn ich es erzähle? Sicher nicht! Wir haben ja noch Jahre danach herzhaft darüber gelacht: Du warst ein begeisterter Snooker-Spieler (englisches Edel- Billard auf sehr grossen Tischen). Da Du uns immer davon vorgeschwärmt hattest, wollten wir das einmal kennenlernen und gingen in Blackpool eines morgens um 9.00 Uhr in eine riesige Snooker- Halle, die rund um die Uhr geöffnet hatte. Bevor man hinein durfte, öffnete sich ein Fenster und es gab eine Gesichtskontrolle und die Frage, was man wolle. Hatte man diese Hürde überwunden, wurde man in die heiligen Hallen eingelassen. Wen trafen wir dort an, noch an? Dich! Du wolltest nach einem späten Tanzfinale (3.00 Uhr morgens) mit Deinen Freunden noch eine Runde Snooker spielen und warst bis 9.00 Uhr geblieben! Und es kommt noch schlimmer: Als wir hereinkamen, warst Du gerade im Begriff, einen schwierigen Stoss zu spielen, lagst auf dem Tisch, das linke Bein ausgestreckt auf der Tischkante (erlaubt), das rechte Bein über dem Boden baumelnd (nicht erlaubt, ein Fuss muss den Boden berühren). Trotz diesem Höchsteinsatz misslang der Stoss. Aber alle hatten einen Riesenspass dabei!


Aufnahme bei den Professionals

1989, nach unserem letzten Meistertitel wechselten wir zu den Professionals. Die Aufnahme in Deinem Kreis der Berufskollegen war sehr herzlich, unser Schritt hat Dich sehr gefreut. Du hast uns die Bedeutung und Verantwortung eines Trainers klar gemacht. Berufsethik stand bei Dir, wie könnte es anders sein, an vorderster Stelle. Für meine Trainer-und Wertungsrichter-Tätigkeit hast Du mir viele gute Tips gegeben, Tips, von denen unsere Paare profitierten und jetzt schon und auch später wieder deren Paare, so dass Dein Wissen und Deine Gedanken bewusst und unbewusst noch in vielen kommenden Turniertanzgenerationen weiterleben werden - ist das nicht schön?


Schwarzer Smoking oder weisser Smoking oder kein Smoking?

Seit dem Wechsel zu den Professionals durfte ich jedes Jahr an Deiner Basic-Trophy werten. Ich habe das als eine ausserordentlich grosse Ehre empfunden, das weisst Du. Sicher weisst Du auch noch, wie wir über Jahre immer kurz vor der Basic-Trophy zusammen telefoniert haben: "What are you going to wear? - Was ziehst Du an?". Für den besonderen Anlass wollten wir uns beide entsprechend anziehen. Der schwarze Smoking kam oft zum Einsatz, weiss war aber auch schick. Nie vergassen wir, die anderen männlichen Wertungsrichter über unseren Entscheid zu informieren, so dass sie sich auf Wunsch anpassen konnten. Du hattest Stil - es war eine wunderbare Zeit...

Manchmal hast Du an der Basic Trophy selbst gewertet, manchmal warst Du als Zuschauer dabei. Spannend waren die jeweiligen Diskussionen nach dem Finale. Wegen der geschlossenen Wertung wussten auch die Wertungsrichter bis zur Siegerehrung oft nicht, wie das Turnier ausgegangen war. Wir haben über viele Jahre gemeinsam und nicht nur an der Basic-Trophy die Veränderungen in der schweizer Tanzszene beobachtet und analysiert. Betrübt hat uns beide die Tatsache, dass in den letzten Jahren immer weniger Teilnehmer an die Basic Trophy kamen. Die diesjährige Basic Trophy wird sehr traurig werden ohne Dich...


Schwere Zeiten zum Ersten

Mein Hirnschlag 1996 mit linksseitiger Lähmung hat Dich schwer erschüttert. Aber wie hast Du uns unterstützt! Über Monate hinweg hast Du mir jede Woche telefoniert, stundenlang haben wir über Gott und die Welt diskutiert. Du hast an mich und meinen Willen geglaubt, Du hast mir Kraft gegeben, wieder laufen zu lernen, hast Dich über jeden kleinen Fortschritt gefreut. Damit hast Du einen grossen Beitrag dazu geleistet, dass die Hoffnungen punkto Heilungsprozess bei Weitem übertroffen wurden. Du warst auch ein väterlicher Freund und Berater. Vor meiner grossen Herzoperation 1997 hast Du mir den richtigen Weg gezeigt, auch wenn das sehr, sehr hart war: Die Aufgabe unseres schönen, erst relativ kurz zuvor aufgebauten Tanzstudios. So haben wir über Jahrzehnte Freud und Leid in inniger Freundschaft geteilt - wir sind Dir unendlich dankbar für alles...


Schwere Zeiten zum Zweiten

Schon vor zwanzig Jahren hattest Du gesundheitliche Probleme mit den Füssen. Das war und ist für einen Tänzer besonders schwer. Dazu kam Deine bewundernswerte Berufsehre: Du wolltest Dir im Unterricht einfach keine Pause gönnen, obwohl wir Dich unzählige Male dazu aufgefordert haben, Dich doch zwischendurch ein paar Minuten hinzusetzen. Du hast lieber auf die Zähne gebissen und durchgehalten. Auch den späteren "Reg-Stuhl" hast Du nur selten benützt. Dass Du Deinen Körper nicht geschont hast, hat uns immer leid getan. Aber das Rauchen und das Trinken gehörte offenbar zu Deinem Leben wie das Unterrichten bis ins hohe Alter. Als es dann Ende 2002 wegen Deiner Lungenkrankheit wirklich nicht mehr ging, warst Du sehr traurig und wir mit Dir. Und bei unserem letzten Telefon konntest Du kaum mehr sprechen...


Ein Trost

Ein Trost bleibt: Du konntest bis zum Schluss selbstständig bleiben, bist sanft entschlafen, zu Hause in Deinem Bett, im Schlaf, Deine Leidenszeit vom letzten Jahr ist vorbei...

Farewell - we miss you bitterly...


Reg Borrow


Michael & Evelyne Scherer

14./15. Juni 2003


Waltz: "When forever has gone"


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