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Hommage für Trudi Schmucki

Report Nr. 2

Tanz Illustrierte Nr. 25 / November 1954


Sturmfahrt durch den Kanal

Der dramatische Bericht von einer Turnier-Mannschaft, auf die ein voll besetztes Haus drei Stunden wartete, um die Verspäteten begeistert zu feiern - Erster Mannschaftskampf "Grossbritannien gegen Kontinent Europa" in Hannover, Dortmund und Hamburg - ein Freundschaftstreffen und seine fachliche Beurteilung

Sonderbericht für die "tanz-Illustrierte" von Alex Moore, London, dem internationalen Experten des Gesellschaftstanzes



Zunächst der Bericht unseres Hannoverschen Berichterstatters:

Der stärkste Sturm mit Windstärke "12" tobte im Kanal. Boote sanken und gerieten in Seenot. Auf dem Nacht-Boot von Harwich nach Hoek van Holland herrschte ein Chaos, ein unbeschreibliches Durcheinander. Menschen und Rettungsboote gingen fast über Bord - ausgerechnet in dieser Nacht, als das Team der Paare von "Great Britain and Ireland" sich auf der Reise nach Hannover befand!

In Hannover war das "Theater am Aegi" um 20.30 Uhr voll besetzt. - nur die Briten fehlten - - Kommen sie - Kommen sie nicht? - Die Kontinent-Paare tanzten inzwischen ihr Einzelwertungsturnier unter sich aus (1. Ronnaux, 2. Voeten, 3. Finck). Die Zeit vergeht, man wartet, wartet gespannt. Von der Fahrtstrecken kommen Ferngespräche über den Standort. Eine von Frau Else Franke geschickt conferierte Modenschau wird in die Länge gezogen. - Am Ende aller Weisheit verkündet Turnierleiter Fred Dieselhorst die letzte Pause zum Warten! - Da - es ist 22.35 Uhr - kommt der Bus! Die Zuschauer, lustwandelnd vor dem Theater, stürzen sich mit Freuderufen zum Bühnen-Eingang und drängen sich mit Freuderufen um die aussteigenden Paare. Hinein in die Garderoben! - Umziehen - Im Express-Tempo! - Stan Dudley's Koffer fehlt! Hans von Hagemeister zieht seinen Frack für ihn aus. - Alles fertig? - Ja! Knappe 20 Minuten sind vergangen. Klingelzeichen! - Aber noch ist's nicht so weit: Sammy Leckie hat keine Hosenträger! Mit Bindfaden? Nein, das geht nicht! - Also - irgendjemand kann es ohne Hosenträger schaffen - 23.05 Uhr: Vorhang auf - Einmarsch der Teams! - Brausender Beifall! - -



Und nun die andere Seite - der Bericht von Alex Moore:

"Den Alpdruck jener Reise nach Hannover zu den ersten Runden des Wettkampfes im "Theater am Aegi" werde ich nie in meinem Leben vergessen - und die anderen Mitglieder der englischen Mannschaft ebenso wenig! Nach einer Zugverspätung von einer Stunde wurden wir in eine der stürmischsten Überfahrten durch die aufgewühlte Nordsee hineingerissen, die den Verkehr von England nach Hoek van Holland seit Jahren betroffen hat; so kam es, dass wir mit drei Stunden Verzögerung auf dem Festland eintrafen. Glücklich an Land, entdeckten wir, dass der Koffer mit der Turniergarderobe von Dudley und Edna Reed in Harwich, also jenseits des Wassers, geblieben war. Telephonanrufe nach Harwich und Hannover, verzweifelte Anstrengungen, ein Flugzeug zu bekommen oder einen Militärzug zu erreichen, Anfragen aus Oldenzaal, wo Voeten mit seiner Partnerin auf uns wartete, endeten schliesslich mit der "Geburt" eines Omnibusses. Es waren aufregende Stunden für mich; na, schliesslich hatten wir das Versprechen, bis um 20 Uhr garantiert nach Hannover gebracht zu werden. Als ich im Laufschritt belegte Brötchen einkaufte und verzehrte, schwebte ich noch voller Optimismus, dass der Omnibus uns vielleicht um 13 Uhr schon abholen würde. Nun, meine Leser kennen den Rest der Geschichte schon. Wir kamen erst gegen 23 Uhr an, und ich muss sagen, dass es mir wie Zauberei erschien, als die Mannschaft schon 25 Minuten nach dem Eintreffen fix und fertig umgezogen (Dudley und Reed in geborgten Sachen) auf der Bühne stand. Ersparen Sie es mir, bitte, die weiteren Stationen dieser Fahrt (mit einer Panne nach der anderen) oder das Turnier selbst in die Erinnerung zurückzurufen, ausser, dass es begeisternd war - vor allem die Gastfreundschaft, mit der uns die Hannoveraner und nicht zuletzt Fred und Anne Dieselhorst betreuten.

Das zweite Treffen - in Dortmund - sah beide Mannschaften, glaube ich, in wesentlich besserer Form. Sie tanzten wohl sogar noch besser als in Hamburg. Der Höhepunkt des Abends war zweifellos die brillante Rumba von Roger und Micheline Ronnaux. Sie waren hervorragend und verdienten die Beifallsstürme, mit denen die Zuschauer sie überschütteten. Meiner Meinung nach war in Dortmund das Paar McGregor von der englischen Mannschaft am besten, seine sprühende Rumba setzte mich - und auch verschiedene andere Mitglieder des britischen Teams förmlich in Erstaunen. Ich möchte nicht verfehlen, auch die grossartige Aufnahme der Mannschafen durch den Grün-Gold-Club, unsere Gastgeber, hervorzuheben. Sie war über jedes Lob erhaben.

Wir waren alle auf das grosse Finale, in Hamburg gespannt, ein äusserst wichtiges Turnier, und deshalb kam etwas Unruhe in die Mannschaft, als diese hörte, dass Wiener Walzer, Rumba und Quickstep als letzte drei Tänze ausgewählt worden waren, nämlich als diejenigen Tänze, die über den europäischen Fernsehfunk ausgestrahlt werden sollten. Ich konnte sie jedoch bald von der Billigkeit dieser Entscheidung überzeugen. Der Wiener Walter war ein deutscher Tanz, die Rumba gab den Kontinentaleuropäern eine Chance, und der Quickstep war ein geeigneter Höhepunkt, den englischen Stil zu zeigen. Freilich hätte ich den Langsamen Foxtrott oder den Langsamen Walzer als letzten Tanz bevorzugt, da es unvermeidlich war, dass die britischen Paare in jenen heiklen Typ von Quickstep verfallen mussten, der zwar dem Publikum gefällt, aber nicht den englischen Stil in seiner besten Form zeigt.

Ich glaube, die meisten werden dem Wertungsrichter in Bezug auf den Sieg der britischen Mannschaft mit 21/2 Punkten Vorsprung zustimmen, und ich denke auch, dass die Wertungen von Karel Paumen, Belgien, eine wirkliche Beurteilung des Tanzens an jenem Abend darstellten. Es war eine schwere Aufgabe, aber während der ganzen Reise bewältigte er diese mit Könnerschaft und Mut. In allen Wettbewerben fand ich, dass seine Wertungen einen klaren Bericht über das gaben, was e r im Gesellschaftstanz zu sehen wünscht; und wenn es auch das Recht jedes einzelnen ist, eine andere Meinung zu haben, so muss ich doch sagen, dass ich sein Wertungsurteil bewunderte. In Dortmund schien er mir etwas streng zu Kingston und Miss Tolhurst, aber ich achtete sein Urteil. In Hamburg ist es ihm bestimmt nicht leicht gefallen, dem Paar Krebs nur 31/2 Punkte im Langsamen Foxtrott zu geben; ich konnte ihm jedoch in den Gründen dazu folgen. Krebs benutzte eine oder zwei "groups", die sich nicht mit dem Fluss und der Bewegung seines Tanzens vertrugen und ihm daher in anderer Hinsicht abträglich waren. Stewart und Miss MacPherson, die im Langsamen Foxtrott gegen sie tanzten, zeigten einen reinen Slowfox im englischen Stil, so dass es mich wenig überraschte, als sie als die besseren aus dem Wettstreit hervorgingen. Krebs zeigte, dass er noch immer der Meister im Walzer ist, doch mir gefiel auch die fröhliche Interpretation der Ronnaux in diesem und in verschiedenen anderen Tänzen. Sehr angenehm überrascht war ich von der verbesserten Leistung der Schmuckis aus der Schweiz. Technisch waren sie ausgezeichnet, obwohl sie noch etwas mehr von jener Parkettwirksamkeit gewinnen müssen, die das moderne Tanzen erfordert. Voeten und Miss Assmann brachten zeitweise gute tänzerische Leistungen, aber ihr unglückliches Grössenverhältnis macht es schwierig für sie, die Spitze in der internationalen Klasse zu erreichen. Zu beglückwünschen ist das dänische Paar, die Pedersens. Sie sind vielbeschäftigte Lehrer und hatten das Turnierparkett für etliche Zeit verlassen. Zum Tanzwettstreit mitten hinein in ein so bedeutendes Turnier zurückzukehren, bedeutete eine wahre Feuerprobe, und diese haben sie mit bemerkenswertem Erfolg bestanden.

Ein hervorstechender Charakterzug der Turniernacht war das wahrhaft wundervolle Spiel der beiden Orchester (Anm. d. Red.: Alfred Hause und Franz Thon). Sie verstanden es, Melodie und Rhythmus in einer Art und Weise zu verbinde, mit der nur wenige englische Orchester wetteifern können. Würden mehr Tanzkapellen sich solchen Stiles befleissigen - davon bin ich überzeugt - , so wäre ein Teil der Ungeschliffenheit und Täuschereien, wie man sie bei Tango und Quickstep heute so oft beobachtet, bald auszumerzen. Vielleicht das Schönste an der Turnierserie aber war die freundschaftliche Atmosphäre zwischen den beiden Mannschaften während der vier gemeinsamen Tage. Das britische Team empfand voller Freude die herzliche Verbundenheit mit den Freunden auf dem Kontinent, und ich bin sicher, dass dieses Gefühl Erwiderung fand.

Dem Allgemeinen Deutschen Tanzlehrer-Verband kann man zu seiner überlegenen Organisation nur beglückwünschen. Die von Herrn Dieselhorst in Hannover, dem Grün-Gold-Club in Dortmund und den Herren Heinrich und Walter Bartelin Hamburg vorbereiteten Veranstaltungen waren beispielhaft geleitet. Es ist immer schwierig gewesen, in England Mannschaftswettkämpfe auf die Beine zu stellen, aber ich glaube, dass die Mannschaft des Kontinents mit ein wenig Mühe gegen eine starke Mannschaft in England bestehen könnte. Daher möchte ich meinen kontinentalen Freunden versichern, dass ich das Äusserste tun werde, einen solchen Wettkampf so bald wie möglich nach England zu bringen."



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